Rückblick: FonoForum Dezember 1982

Erfolgreiches Debüt eines bemerkenswerten jungen deutschen Klaviertrios

Die schwierig zu gestaltenden Klavier-Trios von Beethoven und Brahms hat das Abegg Trio in uneitler, musikalisch überzeugender Darstellung aufgenommen

BEETHOVEN, Klaviertrio Nr. 1 Es-Dur op. 1,1, Klaviertrio Nr. 2 G-Dur op. 1,2, BRAHMS, Klaviertrio Nr. 2 C-Dur op. 87, RAVEL, Klaviertrio a-Moll (1914);

Abegg-Trio, Ulrich Beetz (Violine), Birgit Erichson (Cello), Gerrit Zitterbart (Klavier)
Harmonie der Welt HMW 608 D und HMW 609 D (Bezug über Electrola ASD)

Klangbild: Natürlich und transparent.
Fertigung: Keine Mängel.

Mit der Verpflichtung dieses jungen deutschen Trios hat die Harmonia Mundi eine glückliche Hand gehabt: der Geiger (34) ist Schüler von Heutling, die Cellistin (32) Schülerin von Starker und der Pianist (30) schließlich studierte bei Engel und lehrt heute in Hannover. Das Trio selbst wurde 1976 in Hannover gegründet und unbekümmert nach jener von Robert Schumann in ähnlicher Lage erfundenen Gräfin von Abegg benannt. Schon 1977 erhielt es seine erste internationale Auszeichnung und hat die Reihe seither erheblich verlängert. Von den Konzertagenturen nicht gerade verwöhnt und daher dem Konzertpublikum nur wenig bekannt, hat es sich inzwischen zu einem bemerkenswerten Trio entwickelt, das den Vergleich mit sehr viel besser bekannten Trios sehr wohl aushalten kann.
Die Klaviertrios Beethovens sind auf Schallplatte zwar ausreichend an Zahl, aber weniger ausreichend an musikalischer Qualität vertreten: die beiden bekanntesten Gesamtaufnahmen - Stern/Rose/Istomin und Szeryng/Fournier/Kempff - sind von Solistentrios eingespielt worden, mit allen Vor- und Nachteilen solcher ad hoc Vereinigungen. Das Beaux-Arts-Trio ist zwar besser aufeinander eingespielt, seine Gesamtaufnahme - zumindest die erste - leidet aber unter der Dominanz des Pianisten. Was das Abegg Trio auszeichnet, ist das ganz und gar uneitle Spiel aller drei Partner. Der an das Klangbild von Solistentrios gewohnte Hörer wird daher den „bauchigen" Ton von Geige und Cello vermissen. Das Klangbild des Abegg Trios ist homogener, Geige und Cello spielen in Tongebung und Dynamik so aufeinander abgestimmt, daß streckenweise der Eindruck eines einzigen mit dem Klavier konzertierenden Instruments aufkommt. Das äußert sich vor allem an jenen Stellen, an denen der eine Streicher die Melodie vom anderen übernimmt. Bei den Solistentrios stehen solche Phrasen oft wie beziehungslos nebeneinander, weil jeder seinen Part solistisch ausspielt, hier gehen sie nahtlos ineinander über. Hinzu kommt eine peinlich beachtete Partiturtreue. Gewiß klingt bei den anderen manches effektvoller, weil vordergründiger gespielt, dafür aber hört man es hier „richtiger".
Alle vier Werke sind musikalisch ausgesprochen gelungen. Besonders hervorzuheben das schwierig zu gestaltende G-Dur-Trio Beethovens, das für Solisten so gar nichts hergeben will, und das C-Dur-Trio von Brahms, dessen Wiedergabe ohne Übertreibung mit der großartigen Darstellung von Szeryng/Fournier/Rubinstein (RCA) verglichen werden darf. Und seit auch das Ravel-Trio von Laredo/Solow/Laredo (CBS) gestrichen worden ist, ist diese Neuaufnahme meines Erachtens erste Wahl.
Ich hoffe, daß sich das Trio zu gegebener Zeit auch der Trios Mozarts mit ähnlicher Sorgfalt annehmen wird. Denn um diese machen ja selbst auch die Stars auffällig weite Umwege.
Manfred Kahlweit