... und vor allen Dingen „swingend“!

image hifi März 2005 / Heinz Gelking

Birgit Erichson (Cello), UIrich Beetz (Violine) und Gerrit Zitterbart (Klavier) spielen seit 1976 als Abegg Trio unverändert zusammen. Ihre Aufnahmen haben enthusiastische Kritiken bekommen, immer wieder auch wegen der exzellenten Klangqualität.

Das Interview fand am Nachmittag vor einem Konzert in Bochum statt.

image hifi: Wie ist es für Sie, aufzunehmen?

UB: Aufregend - in musikalischer und technischer Hinsicht. Obwohl es viele Kontinuitäten in unseren Aufnahmen gibt - bis auf zwei entstanden alle in der Festeburg-Kirche in Frankfurt -geht das Problem, den maximalen Klang zu finden, immer von neuem los. Es hängt von der Tonart, vom Tonsatz, von der Temperatur, von allem Möglichen ab. jede Aufnahme ist eine neue Suche nach dem möglichst besten Klang.

image hifi: Sie haben irgendwann frühe Aufnahmen zurückgekauft. Bedeutet das, eine Einspielung ist mehr als eine Momentaufnahme, nämlich etwas, was sie als gültige Aussage lange am Markt halten wollen?

GZ: Das ist überspitzt formuliert. Eine Aufnahme ist eine Momentaufnahme. Aber es ist schön, wenn man die Momente in breiter Variation hat. Wir haben inzwischen 26 CDs mit dem Haupt-Repertoire für Klaviertrio. Als EMI den Katalog von Intercord, unserem ersten Label, aufgekauft hat, wollten sie von vier Beethoven-CDs zwei nicht mehr auflegen. Als unsere Arbeit auseinander gerissen werden sollte, hatten wir die Idee, alles zurückzukaufen und unter unserer eigenen Aufsicht als Gesamtaufnahme am Markt zu halten.

BE: Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass ein Trio eine so breite Werkauswahl hat. Viele Musiker haben mal etwas am Markt - dann ist es wieder weg. Wir haben da gut aufgepasst. Wenn wir frühe Aufnahmen wie Mozart (1985) oder Beethoven (1988) hören, finden wir immer noch: Das ist unser Stil.

GZ: Bis auf zwei Einspielungen sind alle mit Andreas Spreer entstanden. Darüber sind wir glücklich. Aufnehmen ist ja Teamarbeit. Nicht nur drei Musiker, sondern auch ein Aufnahmeleiter und ein Aufnahmeort. Da war eine Linie zu bewahren, beim Klang und in der musikalischen Arbeit, die mit dem Aufnahmeleiter zusammenhängt.

BE: Wir sind Andreas Spreer oft gefolgt. Wir haben angefangen mit ganz vielen Mikrofonen, später hat er nur noch mit dreien gearbeitet, dann kamen die historischen Röhrenmikrofone. Diese Evolution hat Spaß gemacht.

UB: Andreas Spreer kennt unser Klangbild, und er versucht das zu realisieren. Wir haben volles Vertrauen zu ihm.

image hifi: Wie würden Sie das Klangideal des Abegg Trios denn definieren?

BE: Durchsichtig!

GZ: Klar!

BE: und vor allen Dingen „swingend“

GZ: ...aber das wäre schon die Spielweise. Wir wollen, dass alle Instrumente für sich gut abgebildet sind und dabei eine Einheit bilden.

BE: Nicht im Vordergrund eine Geige und im Hintergrund Klavier, sondern ein der Komposition entsprechendes Miteinander - manchmal bis zu einer Verschmelzung der Streicher. Wir hatten Riesenglück mit Andreas Spreer. dass wir gemeinsam eine Klangvorstellung entwickeln konnten!

UB: Andreas ist auch musikalisch auf unserer Linie. Als er von Intercord wegging und sich selbstständig machte, haben wir vereinbart, dass er weiterhin unsere Aufnahmen betreut.

GZ: Horst Janssen, von dem alle Cover-Abbildungen stammen, wäre sozusagen der fünfte Mann im Team.

image hifi: Der Haydn ist wirklich wunderbar...

GZ: ... und wäre fast verschwunden! Birgit rief Horst Janssen an: „Die CD ist fertig, wir brauchen jetzt das Cover.“ Und er hat geantwortet: "“ch hab's vernichtet.“ Nach seinem Tod tauchte es in einem Buch auf. Die Zeichnung gab es nicht mehr, aber beim Drucker existierte ein Foto.

image hifi: Folgen Sie Andreas Spreer denn auch bei seinem Gang in die Surround-Welt?

UB: Bei unserer Tschaikowsky Aufnahme lässt er die Streicher Walzer um den Flügel tanzen.

image hifi: Gefällt ihnen das? Früher dachte man ja, eine Aufnahme wäre so etwas wie die Abbildung eines Konzerts...

BE: Das ist wirklich antiquiert. Ich glaube, dass Andreas mit Surround den richtigen Riecher hat. Man erlebt und erfährt dabei etwas, was man so nicht kennt. Die CD als Wiederholung oder Ersatz eines Konzertes - das ist dumm.

image hifi: Sagen Sie, was es ist. Welche Definition haben Sie?

GZ: Es ist eine Einzelsituation: Hörer plus Musiker. Wir finden Surround auf hochwertigen Anlagen überzeugend, weil die Durchsichtigkeit und Lebendigkeit des Klangerlebnisses gesteigert wird. Surround gibt die Chance, besser ins Geschehen reinzuhören. Ich sehe nur den Nachteil, dass die meisten angebotenen Surround-Anlagen in der Qualität zu schlecht sind, weil die Leute nicht ausgeben, was sie eigentlich ausgeben müssten, nämlich das Geld für zweieinhalbmal Stereo auf höchster Ebene. Was man darunter angeboten kriegt, ist von der Qualität der Lautsprecher her so schlecht, dass es eigentlich ein Rückschritt ist. Es gibt fantastische Anlagen, aber wer hat die schon zu Hause?

UB: Das Wichtigste ist, offen zu sein. Das Surround-Pflänzchen ist noch klein und beinhaltet mehr Möglichkeiten als eine normale Aufnahme. Ich finde es gut, dass Andreas dabei ist und wir mit ihm.

image hifi: Sie haben sich gerade einen historischen Flügel angesehen, und Sie beschäftigen sich stark mit der Frage, welche Instrumente Sie einsetzen. Wäre der Einsatz von historischen Instrumenten ein Anlass, bestimmte Aufnahmen neu einzuspielen?

UB: Bei der Vorbereitung der Aufnahme des Horntrios von Brahms fiel uns auf, dass bei fast allen Aufnahmen ein modernes Ventilhorn zum Einsatz kommt. Brahms komponierte dieses Werk nicht für das Ventilhorn, sondern für das viel leiser und tonlich fokussierter klingende Waldhorn. Als wir anfingen, mit einem Waldhorn zu proben, merkten wir, dass das moderne Klavier dabei zu laut ist und eigentlich auch die Geige. So suchten wir nach einem passenden historischen Flügel und fanden in der Sammlung Fritz Neumeyers in Bad Krozingen einen Flügel von Baptist Streicher von 1864 mit Wiener Mechanik und Leder auf den Hammerköpfen - so hat auch Brahms einen Streicher-Flügel gespielt. Die Geige hat sich nach Lupot, Anfang der 1820er Jahre, in der Bauweise nicht mehr verändert, aber bis 1900 hat man mit Darmsaiten gespielt. Folglich besaiteten wir die Geige und bei der Aufnahme des Streichsextetts G Dur op.36 von Brahms in der Bearbeitung für Klaviertrio von Kirchner auch das Cello mit Darmsaiten. Wir waren von dem nun entstandenen neuen Zusammenklang begeistert!

GZ: Die historischen Tasteninstrumente bringen einen Gewinn an Transparenz ...

UB: Aber ich wehre mich dagegen, dass wir Puristen sind. Vielleicht unterscheiden wir uns darin von der Barockszene, in der man oft die Meinung vertritt, Bach dürfe nur mit historischen Instrumenten gespielt werden. Das sagen wir auf keinen Fall. Es ist nur eine weitere Möglichkeit, und ich fände es schön, wenn wir die Klassik noch mal aufnähmen und sagen könnten, dieses Klangbild hat seine Berechtigung, jenes aber auch.

BE: Und was uns noch fehlt, ist Schostakowitsch. Das werden wir noch aufnehmen!

image hifi: Vielen Dank für das Gespräch.

BE/UB/GZ: Gerne!


CD-Empfehlungen

Meine Lieblingsaufnahme des Abegg Trios ist   seit vielen Jahren schon! – die Einspielung von vier Klaviertrios Joseph Haydns (Tacet 89). Wunderbar sind auch die Schumann-Trios (Tacet 86 und 87). Wie weit das Repertoire in die Gegenwart reicht, erlebt man auf der CD Klaviertrios des 20. Jahrhunderts mit Musik von Henze, Rihm, Killmayer und anderen (Tacet 92). Sämtliche Aufnahmen werden bei www.tacet.de vorgestellt.