Hier haben wir einen Artikel des Fono Forums zum dreißigjährigen Jubiläum, als Kontrast und historische Ergänzung dazu auch eine Kritik aus den Anfangsjahren des Abegg-Trios von 1982.

Langzeitehe zu dritt

Fono Forum September 2006

Das Abegg Trio feiert sein dreißigjähriges Jubiläum und darf sich zu den dienstältesten Klaviertrios zählen. Dass es dennoch jung geblieben ist, zeigt eine Neuaufnahme mit Werken von Johannes Brahms.

Es war 1976, Musikhochschule Hannover. Das Konzertexamen stand vor der Tür, als sich die Cellistin Birgit Erichson, der Pianist Gerrit Zitterbart und der Geiger UIrich Beetz für einen steinigen Weg entschieden. Sie wollten eine Laufbahn als Trio einschlagen. Schon manche Formation hat dieser Entschluss geradewegs ins Nichts getrieben. Nicht so beim Abegg-Trio. Dreißig Jahre lang ist man in identischer Besetzung zusammengeblieben, hat Höhen und Tiefen durchlebt und ein eigenes Kapitel Musikgeschichte geschrieben.

Zufall oder nicht: Der Aufstieg des En­sembles fiel mit der Entwicklung eines neu­en Mediums zusammen, das den Weg nach oben beschleunigen und zugleich zemen­tieren sollte: die CD. Nachdem das Trio Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre bei verschiedenen Wettbewerben Preise einge­spielt hatte - unter anderem in Colmar, Genf, Bordeaux und beim Deutschen Mu­sikwettbewerb in Bonn -, folgten ab 1982 die erste Aufnahmen für Harmonia Mundi in Form von Langspielplatten. Als man je­doch 1984 von Intercord das Angebot er­hielt, die Klaviertrios von Schumann einzu­spielen, wechselte das Abegg Trio nicht nur die Firma, sondern auch das Medium. Denn Intercord hatte firmenintern beschlossen, alle Neuerscheinungen bereits als CD auf den Markt zu bringen. Für die drei Musiker war es, im Nachhinein gesehen, ein Glücks­fall. 1985 lag eine Gesamteinspielung der Trios von Mozart vor, drei Jahre später ein Beethoven-Zyklus. Es folgten Aufnahmen mit Werken von Haydn, Brahms, Mendels­sohn, Ravel, Debussy, Dvorák. Gleichzeitig betrat das Abegg Trio weniger ausgetretene Pfade. Man fand den Mut, sich in das Terrain eines Hermann Goetz oder eines Friedrich Kiel zu begeben. Man spielte Franz Berwald und Louise Farrenc. Und man kümmerte sich um die Frauen im Schatten berühmter Männer, um Clara Schumann und Fanny Mendelssohn.

Doch auch das Abegg Trio wurde nicht vom Kalküldenken der Plattenfirmen ver­schont. Mitte der 1990er Jahre verschwanden seine Einspielungen peu à peu aus den Regalen der Plattenläden. Intercord war von EMI über­nommen worden, dort argumentierte man mit marktübli­chen Floskeln wie „Umstrukturierung“. Das Bekenntnis für eine intensive Zusammenarbeit klingt natürlich an­ders. Was folgte, war wiederum ein Glücks­fall. Der ehemalige Tonmeister von Intercord hieß Andreas Spreer. Er hatte die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt und mit Tacet sein eigenes Label gegründet. Bei ihm fand das Ensemble seine neue Heimat. Das Trio wuchs mit seinem Produzenten zu ei­nem Quartett zusammen. „Er weiß uns ein­zuschätzen, weiß, wo er bohren muss, noch etwas herausholen kann“, gestand Gerrit Zitterbart 1999 dem FONO FORUM.

Das Abegg Trio ist sich in den drei Jahr­zehnten seines Bestehens treu geblieben, al­len Moden zum Trotz. Man spielte historisch informiert, aber nie manieriert, und man setzte auf neueste Erkenntnisse der Wissen­schaft. Bei Schuberts Es Dur Trio etwa hat man den Schlusssatz sowohl in der langen, von Schubert gestrichenen Version als auch in der Fassung letzter Hand aufgenommen. Gleiches gilt für die beiden Varianten des H-Dur-Trios von Brahms. Fragmenten von Mozart hat man sich mit ebenso viel Ernst zugewandt wie der Wiederherstellung des Klaviertrios von Leos Janácek aus dem Jah­re 1908. Der Begriff vom Autograph war für die Abegg Musiker kein Fremdwort, son­dern Teil des Betriebsgeheimnisses.

Um die andere Seite der Erfolgsmedaille zu erklären, genügt ein Blick in die Tages­- und Fachpresse der vergangenen Jahre. Da wird einerseits der Sinn „für klangliche Diffe­renzierungen“ hervorgehoben und die Fähigkeit, „in der Behandlung der Nebenstimmen“ keine Unterschiede vorzunehmen (NZZ); auf der anderen Seite steht die Gabe, Interpre­tationen „Gewicht, Aggressivität, Präzision und größte innere Wahrhaftigkeit“ zu ver­leihen (SZ). In seinem Spiel vereint das Abegg Trio „Brillanz, graziöse Eleganz und leidenschaftliche Dramatik“ (FAZ), es herrscht eine Kongruenz der Gegensätze zwischen „atmender Ruhe und gestauter Erregung“ (NMZ). Ein Blick auf die Inter­net Seite des Ensembles verrät, dass dort Konzert- und CD-Kritiken in ganzer Länge abgedruckt sind und nicht bloß in Häpp­chenform - ein verlässliches Indiz dafür, dass die Anerkennung auf einem breiten, tragfähigen Fundament steht.

15 Jahre ist es her, seit sich das Abegg­-Trio auf Tonträger letztmalig mit Johannes Brahms beschäftigt hat. Nun ist, quasi als später Nachtrag, eine Aufnahme mit dem Horntrio op. 40 und dem G-Dur-Sextett op. 36 in der Trio-Bearbeitung von Theodor Kirchner erschienen. Alle Musiker spielen auf historischen Instrumenten, Stephan Katte auf einem ventillosen Naturhorn, dem Nach­bau eines Instruments von ca. 1800, Beetz auf einer Lupot-Violine von 1821 und Erich­son auf einem Castagnieri-Cello von ca. 1847, beide mit Darmsaiten. Zitterbart hat einen Johann Baptist Streicher Flügel von 1864 zur Verfügung - eine authentische Wahl, denn Brahms selbst hatte 1868 von Streicher einen Flügel für seine Wiener Wohnung ge­schenkt bekommen. Die ersten drei Sätze des Horntrios klingen vergleichsweise vor­sichtig, zurückhaltend, vornehm. Vor allem das Scherzo lässt etwas von jenem ener­gisch-kompromisslosen Zugriff vermissen, der die früheren Brahms-Aufnahmen aus­gezeichnet hat. Gleichzeitig dominiert das vitale, perfekte Zusammenspiel. Das Finale gerät schließlich zum fulminanten Höhe­punkt. Auch das Sextett klingt zutiefst ro­mantisch: geheimnisvoll, lyrisch, stellen­weise wild, nie rührend, nie belehrend. Eine gelungene Gabe zum 30. Geburtstag.

Christoph Vratz